Mahlzeit_Einleser_Vorwort_Kap50 - page 6

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Ein Verleger ist ein Mensch, der niemals den Satz sagen darf:
„Ich habe ein Buch verlegt.“ Jemand, der ihn nicht kennt,
empfiehlt ihm dann, er solle sich mal genau überlegen, wo er
es hingelegt hat! – Warum ein Verleger so heißt, das habe ich
nicht rausgekriegt. Vielleicht deshalb, weil er froh ist, wenn
die Buchhändler das neue Buch ins Schaufenster legen oder
auf einen Sonderstand oder gar auf die Theke. Dann liegen
sie richtig, und die Chancen sind größer, dass möglichst viele
es lesen wollen. Denn ein Buch, das nicht verkauft wird, hat
bekanntlich seinen Beruf verfehlt. Wenn das der Fall ist,
dann werden Verleger und Autor meistens zuerst „verlegen“
und kriegen sich danach in die Wolle. Das dürfte bei uns
nicht geschehen, denn unsere Zusammenarbeit funktioniert
seit einem Vierteljahrhundert,
allerdings mit größeren
Unterbrechungen.
Zu allem Überfluss haben Gerhard Bungert und ich in
Saarbrücken Soziologie studiert. Rein kommunikativ sind
wir ein altes Ehepaar. Unsere Humanlogistik stimmt. Wir
verstehen uns schon auf Stichworte hin.
Einer sagt:
„Rollenkonflikt“ oder „Statusproblem“, und der andere nickt.
Auch das Problem aller Autobiografien war uns von Anfang
an bekannt. Die Autoren schreiben darin niemals wie es
wirklich war, sondern wie sie es gerne hätten, dass es
gewesen wäre. Der französische Staatsmann Georges B.
Clemenceau steigerte diese Einschätzung: „Wenn einer sich
nicht mehr anders rächen kann, dann schreibt er Memoiren.“
In diesem Buch soll das Kulinarische dazu beitragen, es ein
klein wenig anders zu machen. Nicht der Autor, sondern die
Mahlzeit spielt die Hauptrolle. Sie stellt Gerhard Bungert in
ihren Schatten. Dieses Privileg steht ihm zu, denn er hat in
mehreren Jahrzehnten recht unterschiedliche Situationen
erlebt und,
zumindest im Nachhinein,
auch sehr gut
analysiert.
Durch seinen kulinarischen Schwerpunkt verschont er seine
Leser auch vor Themen wie sein zum Teil wirres
Engagement für eine bessere Welt in der ersten Hälfte der
siebziger Jahre, seine führende Rolle beim (demokratischen)
„Sturz“ von drei Landesregierungen (Saarland, Sachsen-
Anhalt und Thüringen) und sein Aufbau einer PR- und
Künstler-Agentur im Medienzentrum Wintringer Hof in der
Nähe von Saarbrücken.
Das alles hat keinen Platz in diesem Buch. Bei uns geht es
schlicht und ergreifend um das, was Leib und Seele
zusammenhält. Wie das anatomisch funktionieren soll, das
wissen wir beide nicht. Aber es scheint zu klappen. Deshalb
hat er auch seine missionarischen Versuche, bei seinen
Freunden mehr Lebensqualität zu verbreiten,
nicht
ausgeklammert, zumal Essen und Trinken dabei immer eine
wichtige Rolle spielen. Allein schon von daher bot es sich an,
seine subjektive Nahrungsaufnahme als Leitmotiv des
Buches zu benutzen. Das Drum und Dran hat ebenfalls
seinen Platz, denn Ernährung spielt sich ja immer in einem
Kontext ab. Dieser kann sogar politisch sein, bisweilen
kulturell bedeutend, aber auch alltäglich.
Das Buch beginnt in der Vorgeschichte seiner Geburt,
behandelt die gesamte zweite Hälfte des 20sten Jahrhunderts
und zieht sich wie ein roter Faden noch 15 Jahre ins neue
Das meint der Verleger:
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